Edito

| 12.12.13 | Von Bettina Büsser und Philipp Cueni

«Wir sollten uns nicht schämen, Boulevard zu machen»

Marc Walder, CEO von Ringier, über seine Pläne und Strategien, sein Führungsverständnis und heikle Personalentscheide.

«Fernsehen bleibt für Ringier ein grosses Thema.»
Marc Walder, CEO Ringier AG

EDITO+KLARTEXT: Sie sind als CEO von Ringier auch Nachfolger Ihrer ursprünglichen Funktion, als Sie CEO Ringier Schweiz und Deutschland waren. Sie sind nach wie vor verantwortlich für den Bereich Schweiz.

Marc Walder: Früher waren wir geografisch organisiert, heute thematisch: Ringier gliedert sich in drei Säulen, Publishing, Entertainment und Digital, darüber hinaus die Bereiche Osteuropa, Afrika und Asien. Was sicherlich stimmt ich habe eine Nähe zum Schweiz-Geschäft, da ich die Strategie der Diversifikation mit Ticketcorner, InfrontRingier, der Energy- Gruppe und so weiter getrieben habe. Und früher „SonntagsBlick“ und „Schweizer Illustrierte“ selbst geführt habe. Ich erlaube mir darum, mich weiterhin einzumischen. Zumal ich eher ein, sagen wir, pingeliger CEO bin…

Sie fällen also auch Personalentscheide im Bereich Publishing, bei den Redaktionen?

Bei relevanten Personalentscheiden wie zum Beispiel Chefredaktoren und bei möglicherweise kritischen Fällen entscheide ich, ja, da ich, was die Publizistik angeht, auch der Vorgesetzte der Chefredaktoren bin. Bei Chefredaktoren geschieht dies immer zusammen mit Verleger Michael Ringier.

Sie sind auch für die grosse Strategie zuständig: Sie haben ein neues Online-Portal zu „Blick am Abend“ angekündigt. Bei Ihrem Amtsantritt haben sie viel von digitaler Wende gesprochen. Ist dieses Portal nun das Instrument dazu?

Es ist ein weiteres Puzzleteil. Die digitale Wende beinhaltet, dass unsere Publishing- Marken in allen 16 Ländern heute komplett digitalisiert sind. Zu dieser digitalen Transformation gehören auch unsere grossen Akquisitionen wie jobs.ch, Onet in Polen, die Scout 24-Gruppe oder DeinDeal. „Blick am Abend“ ist ein weiterer Baustein, denn die Marke hat bisher keine eigene digitale Identität.

Bisher war blick.ch das Portal der ganzen „Blick“-Gruppe.

„Blick am Abend“ hat heute mit 779 000 eine enorm grosse Leserschaft. Sie ist jung, urban, kaufkräftig und feminin. Ihr wollen wir eine eigene Plattform bieten, denn sie sucht etwas anderes als das, was blick.ch liefert. Wir versuchen für die „Blick am Abend“-Plattform von den neuen digitalen Content-Angeboten zu lernen. BuzzFeed ist ein hervorragendes Beispiel dafür, wie man anders mit dem Leser korrespondiert als klassische Publishing-Marken dies tun. Eine spielerischere Form des Journalismus also. Ausserdem monetarisiert BuzzFeed auf dem Werbemarkt kaum über klassische Display-Werbung, sondern über Native Advertising, also von einem kommerziellen Partner gesponserte Rubriken. Coca-Cola kann beispielsweise auf BuzzFeed einen Teil des Contents sponsern, klar ersichtlich, sehr transparent. Der Werbemarkt sucht dringend nach neuen Formen von digitaler Werbung.  

Was versprechen Sie sich kommerziell von diesem Portal? Der Markt in der Deutschschweiz ist ja viel kleiner als derjenige von BuzzFeed.

Das kann und muss man sich bei jeder Neulancierung fragen. Wir haben uns auch bei der Lancierung von „SI Style“ oder „Land-Liebe“ gefragt, ob der Markt gross genug ist. Wir fahren seit fünf Jahren eine sogenannte Total-Reach-Strategie bei der „Blick“-Gruppe und erreichen mittlerweile drei Millionen Menschen pro Woche! Die neue Plattform ist ein weiteres Produkt der Gruppe und kann somit die ganze bestehende Struktur, Know how, Technologie wie auch die 200 Journalisten, die in der Gruppe arbeiten, dafür einsetzen. Genau deshalb waren wir sehr skeptisch, was die Remonetarisierung von Hansi Voigts Projekt „Watson“ anbelangt. Wir können aufgrund unserer Voraussetzungen äusserst effizient vorgehen, Watson, das ich für ein gutes Projekt halte, braucht hingegen einen enormen Aufwand, Marke und Redaktion von Null auf zu starten und von Null auf kompetitiv zu sein gegen blick.ch, 2üminuten.ch. newsnetz.ch. nzz.ch und so weiter.

Watson investiert 20 Millionen.

Wir sprechen nicht über Zahlen.

Wird es eine eigene Redaktion geben?

Es wird zusätzlich zum grossen Team im BLICK-Newsroom ein Kernteam für die „Blick am Abend“-Plattform geben.

Für blick.ch war ja eine Paywall geplant, Sie haben noch Ende 2012 gesagt: Sie kommt auf Herbst 2013. Jetzt ist sie in weite Ferne gerückt. Hat das auch mit dem „Blick am Abend“-Projekt zu tun?

Ich würde es nicht in einen Kontext bringen. Die Frage, ob man blick.ch jetzt bezahlpflichtig machen will, haben wir für den Moment mit Nein beantwortet. Das Thema ist aber nur auf Eis gelegt, wir können es jederzeit abrufen, denn die Vorbereitungsarbeiten sind sehr weit gediehen. Im Moment wollen wir diesen Schritt nicht machen.

Das ist ein relativ schneller Strategiewechsel.

Man darf solche Entscheide ohne falsche Scheu treffen. Wenn man auf blick.ch ein bezahlpflichtiges Abo-Modell einführt, kann man es praktisch nicht mehr rückgängig machen. Umgekehrt können wir es in 9, 12 oder 16 Monaten lancieren. Wir haben im Moment eine Reichweiten-Strategie, die gut funktioniert, die würden wir mit dem bezahlpflichtigen Abo-Modell riskieren. Wir beobachten alle Modelle und warten noch ab. Ganz schweizerisch also.

Die Leute gewöhnen sich inzwischen noch mehr daran, dass Journalismus gratis ist.

Im Grundsatz haben Sie Recht, das ist dieser ewige Geburtsfehler des Internets, was die Publishing-Häuser anbelangt. Den haben wir alle irgendwann einmal begangen.

Bevor man Geld verlange, müsse man etwas Besonderes bieten, sagt Michael Ringier.

Wir müssen uns überlegen, was ein Online-Abonnement noch mitenthalten könnte an zusätzlichen Dienstleistungen und Services. Der Gedanke ist ja nicht neu: Früher wurden über Zeitschriften auch Lebensversicherungen verkauft. Dorthin geht die Frage des Mehrwerts eher als zur Überlegung: Haben wir jeden Tag zehn Scoops, für die die Leute bereit sind zu bezahlen? Denn ein Scoop hat heute eine Halbwertszeit von vielleicht einer Minute.

Sie stehen als Ringier-CEO in erster Linie für die Digitalisierung des Konzerns und die Entertainment-Strategie. Gibt es auch eine Print-Strategie?

Natürlich! Nebst dieser konsequenten Diversifikation geht gerne vergessen, was wir alles im Publishing-Bereich — nicht nur in der Schweiz — getan haben: Wir haben die Line-Extension-Strategie der „Schweizer Illustrierte“ eingeführt, wir haben „SI Style“ lanciert, haben den wunderbaren „Blick am Abend“ gegründet, wir haben die so erfolgreiche „LandLiebe“ auf den Markt gebracht. Wir sind innovativ. Auch im Kerngeschäft Print.

Gibt es weitere Pläne?

Es gibt tatsächlich Pläne für das eine oder andere Print-Projekt, aber darüber sprechen wir noch nicht.

Ringier hat sich einmal um die „Weltwoche“ bemüht, gibt „Cicero“ heraus, in der Schweiz gibt es kein klassisches Politmagazin mehr… 

Es ist nicht eine Frage des Genres, sondern des Marktes. Ringier könnte jederzeit ein Politikmagazin lancieren, wir machen das in der Westschweiz mit „L‘Hebdo“ ja bereits. Die Frage ist bloss, ob es einen Markt dafür gibt.

Eine Gratis-Abendzeitung für die Romandie haben Sie bereits geprüft, nehmen wir an. 

…und sind zum Schluss gekommen: Der Markt ist zu klein.

Ringier und Tamedia wollen „Le Temps“ verkaufen. Kam der Anstoss dazu von Tamedia oder von Ringier?

Wir sind bei „Le Temps“ gleichberechtigte Aktionäre, es war ein gemeinsamer Entscheid. Wenn sich die Ideen von Partnern gegenseitig blockieren, dann sollte es kein Tabu sein, sich von einer Publikation zu trennen. Nun sind die Bewerbungen eingegangen und wir werden~ sie akribisch prüfen. Finden wir keinen Käufer, der unseren Vorstellungen und Erwartungen entspricht, besteht die Möglichkeit, den Titel weiter gemeinsam zu führen oder eines der Häuser übernimmt ihn ganz. Man darf nicht vergessen: „Le Temps“ verdiente in den letzten Jahren stets gutes Geld.

Sie haben Bedingungen nicht nur zum Kaufpreis formuliert, sondern auch, dass sich der Käufer der Bedeutung von „Le Temps“ für die Romandie bewusst ist und den Mitarbeitenden eine Perspektive bieten soll. Ist ein Bewerber wie Tettamanti mit seiner Medienvielfalt-Holding für Sie valabel?

Wir schliessen selbstverständlich keinen Anbieter aus. Wenn wir die Zeitung verkaufen, wollen wir sie in nachhaltig gute Hände geben und werden dies in enger Übereinstimmung mit dem Management prüfen. Ich kann Ihnen im Moment keine Antwort auf die Frage geben, ob wir an Tettamanti und/oder Blocher verkaufen würden.

Wenn man Ringier anschaut mit den Schwerpunkten Boulevard und Entertaininent, dann fehlt eine TV-Strategie. Energy-T V allein kann ja nicht genügen.

Erstens sind wir mit Sat.1 Schweiz immer noch stark im Fernsehgeschäft engagiert. Das ist ein gutes Geschäft. Teleclub haben wir verkauft, weil Pay-TV eher schwieriger wird. Fernsehen bleibt für Ringier aber ein grosses Thema. Erstens passt es wunderbar in unsere Strategie. Zweitens hat Fernsehen im Werbemarkt in den vergangenen zehn Jahren stetig zugelegt. Mit TF1 sind wir auch in der Fernsehvermarktung tätig. Auch der Kauf von Sendern wurde geprüft. 3+ hat uns interessiert, das haben wir immer offen gesagt, aber Dominik Kaiser wollte bis heute nicht verkaufen.

Der Informations-Bereich im TV interessiert Ringier nicht?

Wir würden es im klassischen News-Bereich nie mit einem Service public-Sender aufnehmen wollen, der einen Marktanteil von 30 Prozent hat. Das macht keinen Sinn. Man sollte sich eine Nische suchen, in welcher man sich zu überschaubaren Kosten einen Marktanteil sichern kann. Energy-TV ist ein gutes Beispiel dafür: Sie brauchen einen Distributor wie Swisscom oder Cablecom, dann können Sie via diese Plattform digital so viele Kanäle ausliefern wie Sie wollen. Energy-TV ist für uns ein Experiment für eine junge Zielgruppe. Energy-TV kann modulmässig weiter ausgebaut werden. Energy ist überhaupt eine fantastische Marke. Begonnen hat es mit einem Radio in Zürich, mittlerweile sind es drei Stationen und auch Fernsehen funktioniert unter dieser Marke. Dazu kommen die vielen Events Energy Stars For Free, Energy Fashion Night, die Live Sessions und viele weitere Ideen.

(Anmerkung der Redaktion: Nach dem Interview, aber vor Redaktionsschluss hat Ringier bekanntgegeben, dass das Heft „Landliebe“ auf TV [wöchentlich 12 Minuten auf Sat.1 Schweiz] und Radio [co-produziert von Energy als Kanal bei DAB+ und als Stream/App] ausgeweitet wird.)

Jedes Medium von Ringier muss in die Verwertungskette hineinpassen.

Ich habe immer befürwortet, dass die Geschäfte unter dem Ringier-Dach miteinander verlinkt sind und gegenseitig voneinander profitieren können. In welcher Form ist völlig offen.

Aber es ist eine zwiespältige Geschichte, wenn man Events und vertraglich gebundene Personen auch redaktionell vermarktet.

Dieser Diskussion stellen wir uns, die Frage ist absolut berechtigt. Die journalistische Unabhängigkeit — und das sage ich als Journalist — ist zentral für ein Medienhaus. Man hat uns bis heute keinen einzigen Fall vorwerfen können, bei dem wir journalistisch abhängig berichtet haben, weil andere Interessen da waren. Ein Beispiel: Der „Blick“ war bis zuletzt sicher, dass Ottmar Hitzfeld seinen Vertrag verlängern wird und lag damit falsch, obwohl wir mit Hitzfeld einen Vertrag für Beratung und einige Kolumnen haben. Besser kann ich die Unabhängigkeit unserer Titel nicht dokumentieren.

Das Unbehagen kommt ja nicht in erster Linie davon, dass „Blick“ an andere Infos herankommt, sondern dass „Blick“ über Personen schreibt, die von Ringier vermarktet werden — und an deren Publizität deshalb ein Interesse hat. Stichwort: Göla.

Gölä wird ja nicht von uns vermarktet, das war einfach eine klassische Medienpartnerschaft bei einem Konzert. Als Gölä nach einer längeren Pause wieder zurückkam, haben unsere Titel vielleicht etwas viel über ihn berichtet, wenn Sie mich als Leser fragen. Das hatte aber keinen strategischen Hintergrund. Sie können einer Redaktion unmöglich vorschreiben, was sie zu schreiben hat, das wird nie funktionieren. Und das ist gut so.

Es gab im „Blick“-Newsroom viele Wechsel, auch in der Führung, es gab Unruhe um Veränderungen in der Bundeshausredaktion und sogar einen Brief der Belegschaft an den CEO zum Thema Andrea Bleicher. Das ist nicht unbedingt ein gutes Zeugnis für die Führung oder ein Zeichen für Stabilität.

Man sollte jeden Fall für sich betrachten. Bei Andrea Bleicher gab es den Entscheid, dass sie zum damaligen Zeitpunkt nicht Chefredaktorin des „Blick“ wird. Das hatte seine Gründe, die habe ich kommuniziert, dazu stehe ich. Wir haben ihr ein Angebot gemacht, sie hat sich entschieden andere Wege zu gehen. Kein Problem. Parallel gab es eine Gruppe von Leuten, die für Andrea gekämpft haben. Das ist wunderbar, damit habe ich keinerlei Problem. Ich habe kein Verständnis dafür, wenn ein Brief, der an mich persönlich gerichtet war, bewusst geleakt wird. Dass aus der Geschichte dann ein mediales Ereignis wurde, das verstehe ich auch.

Der Fall von Henri Habegger wiederum liegt ganz anders. Auch aus dieser Personalie wurde ein medial viel diskutiertes Thema, weil sich Habegger und Frank A. Meyer gut kennen und mögen. Da wurde dann spekuliert und interpretiert über die Rolle von Meyer. Auch da habe ich Verständnis. Meyer und ich haben dazu Stellung genommen. Das alles zählt zum daily business eines Medienunternehmens.

Die Rolle von Frank A. Meyer interessiert, weil er bei Ringier einen wichtigen Einfluss, aber keine offizielle Funktion hat.

Es gibt Gremien in diesem Haus, eine klare Governance. Und dann gibt es wie in jedem Konzern Menschen, die Kraft ihrer Historie, Kraft ihrer Intelligenz, des sich Einbringens, eine Rolle spielen. Frank hat eine solche Rolle. Mit Frank rede ich regelmässig, Michael Ringier tut das auch. Frank hat seine Meinung, er ist ein Mensch, der sich einbringt. Das ist genau das, was wir von ihm erwarten.

Vor dieser Geschichte gab esja zwei Abgänge, Karsten Witzmann, Chefredaktor „SonntagsBlick“ und „Blick“-Chefredaktor Ralph Grosse-Bley wenig später. Zwei wichtige Chef redaktoren innerhalb von kurzer Zeit…

Ralph Grosse-Bley hat den „Blick“ vier Jahre lang geführt — ich sagte zu Beginn: „Wir sollten uns nicht schämen, Boulevard zu machen.“ Er hatte den Auftrag, den „Blick“ zurück zum Kern der Marke zu führen. Das hat er tipptopp gemacht. Dann kamen wir im Gespräch überein, dass er eine neue Herausforderung sucht. Ich bin für schnelle Entscheidungen—und deshalb übernahm Andrea Bleicher im Februar von Grosse-Bley. Bei Karsten Witzmann war es ähnlich. Selbstkritisch sage ich, dass es nicht optimal ist, wenn die zwei grössten Publikationen dieses Landes während längerer Zeit interimistisch geführt werden.

Sie stehen zu Boulevard, sagen aber auch, dass Sie beiden „Blick“- Titeln mehr Relevanz wollen, dass sie politischer werden sollen.

Michael Ringier und ich haben grosse Freude an lustvoll, kreativ und unterhaltsam interpretiertem Boulevard. Wir erwarten aber auch, dass unsere Zeitungen eine verantwortungsvolle und rele— vante Rolle in diesem Land einnehmen. Die „Blick“-Gruppe bewies in den vergangenen 20 Jahren eindrücklich, dass sie auf— strebendem Populismus widerstehen kann, auch wenn es auf— lagenwirksam gewesen wäre. Unsere Publikationen sollen die grossen Themen des Landes beleuchten, diskutieren, debattieren. Wie in kürzlich die 1:12-Initiative, die SVP-Familieninitiative oder die Debatte rund um die Autobahnvignette.

Sie sind auch Präsidiumsmitglied im Verband Schweizer Medien. Als Mitglied dieses Vorstandes tragen Sie das Nein zu einem Print-GAV in der Deutschschweiz mit. Ringier trägt in der Westschweiz einen GAV mit. Warum geht es dort und hier nicht?

Das Thema GAV betrachte ich grundsätz1ich als Mitglied des Präsidiums des Verlegerverbandes und stehe hinter dem Ablauf, den der Präsident dort skizziert hat. Es gab im Mechanismus verschiedene Fehler, die dann zu dieser Eskalation, die ich bedaure, geführt haben. Ringier hat in den letzten Jahrzehnten bewiesen, dass wir ein sozial engagiertes Unternehmen sind, dass wir den Mitarbeitenden gute Bedingungen bieten bis hin zur Pensionskasse, dass wir als Unternehmen konsequent auf Frauenförderung setzen…

…aber stehen Sie denn hinter der Idee eines GAV?

Ich stehe ganz klar hinter der Position, dass die Journalisten bei einem Verlag ein gutes Arbeitsumfeld haben müssen, auch was die monetäre Situation anbelangt. Keiner im Präsidium hat etwas gegen faire Arbeitsbedingungen die intelligent geregelt sein sollen.

Sie weichen aus.

Es ist Aufgabe des Präsidenten, diese Diskussion zu führen.

Es gibt ja Lohnempfehlungen von Impressum und Syndicom. Schaut Ringier diese an und gelten sie beispielsweise auch für die Mitarbeitenden des neuen „Blick am Abend“-Portals?

Wir schauen diese Empfehlungen genau an, unsere HR-Abteilung vergleicht sie laufend mit den Löhnen, die wir bezahlen. So unterscheiden wir zum Beispiel nicht mehr zwischen Online- und Printjournalisten. Leute, welche in die neuen Onlineportale kommen, werden dementsprechend nach den gleichen Kriterien entlöhnt.

Zur konkreten Arbeit im Newsroom: Da ist die Arbeitsteilung, die Industrialisierung des Journalismus schon öfters kritisiert worden — Ihr Kolumnist Helmut Maria Glogger hat sogar von „Kindersoldaten“ gesprochen.

Der Ausdruck „Kindersoldaten“ ist eine Frechheit gegenüber den Journalisten, die bei uns arbeiten. Er zeugt von Arroganz und Ignoranz. Zu Ihrer Frage: Es gibt doch auf der Welt nur noch Newsrooms, grosse, kleine, stärker integrierte, weniger integrierte. Redaktionen, in welchen jeder in seinem Kämmerchen vor sich hin arbeitet, das gibt es doch gar nicht mehr.

Aber wie weit soll die journalistische Arbeitsteilung gehen, wieweit sollen die Journalisten noch Reporter und Autorinnen oder lediglich Zulieferer von Textbausteinen an Produzenten und Kanäle sein, wieweit sind Journalisten mit einem eigenen Profil gefragt?

Erstens: Nicht alle Journalisten sollen alles machen. Zweitens, ebenso klar: Alle werden mehr machen als früher. Darüber hinaus wird es Recherche-Spezialisten geben, klassische Reporter, dann wieder eher innenorientierte Journalisten. Das ändert sich nicht. Und am Schluss zählt das, was schon zählte, als ich als junger Journalist begann: das Handwerk.