SonntagsZeitung

| 04.09.10 | Von Hanspeter Bürgin

«Wir haben drei Jahre geschlafen – die Zukunft gehört dem mobilen Internet»

Marc Walder will mit der «Blick»-Gruppe wieder zur Nummer eins im digitalen Geschäft werden.

«Die Gesellschaft bewegt sich. Auf der einen Seite dieses Nachrichtengewitter, immer mehr News, Apps, Twitter und Infos auf allen Kanälen, auf der andern Seite ein Rückzug der Menschen auf das Individuelle, die Familie und die Natur.»
Marc Walder, CEO Ringier Schweiz und Deutschland

Herr Walder, was gilt eigentlich? Ist das iPad nur ein «Spielzeug», wie Ihr Verleger Michael Ringier gesagt hat, oder der Rettungsanker für die Medienunternehmen?

Das Haus Ringier setzt konsequent auf die digitalen Medien und stellt auch entsprechende finanzielle Mittel bereit. Morgen werden wir intern kommunizieren, dass unsere Führungsleute gratis iPads erhalten und jeder Mitarbeiter iPads und iPhones günstiger kaufen kann. CEO Christian Unger und ich wollen einen Change of Mind, ein Umdenken, herbeiführen.

Aber Ihr Verleger macht da nicht mit, er will vom iPad nichts wissen.

In der Tat – er hat mir das iPad zurückgegeben. Mit der Bemerkung, er hätte schon eine Märklin-Eisenbahn zum Spielen (lacht). Auch wenn sich Michael Ringier persönlich für das iPad nicht begeistern kann, sieht er dessen generelle Chancen durchaus. Es gibt deshalb keine Differenz zwischen uns. Im Gegenteil: Wir wollen mit der «Blick»-Gruppe wieder die Nummer eins im digitalen Geschäft werden, nachdem wir drei Jahre geschlafen und das Feld «20 Minuten» überlassen haben.

Eine Kampfansage an Tamedia?

Wir sind überzeugt, dass wir nur Erfolg haben können, wenn wir im digitalen Bereich spitze sind. Die Zukunft gehört dem mobilen Internet, das erst noch monetarisierbar ist für Medienhäuser.

Sind denn die Gratis- «Blick»-Apps erfolgreich?

Sie wurden beide über hunderttausend Mal heruntergeladen. Wir arbeiten aber schon an der nächsten, der grossen «Blick»-Applikation, die noch besser und umfassender sein wird. Der Abonnent wird den «Blick» als E-Paper bereits ab Mitternacht lesen können, Fernseh schauen sowieso.

Und das alles gratis?

Nein, wir starten mit einem Einführungspreis von 4.40 Franken für den ersten Monat. Danach setzen wir den künftigen Preis fest. Die Entwicklung ist so rasant, die Lernkurve so steil, dass wir uns ständig anpassen und neue Wege versuchen müssen.

Die Printausgaben der «Blick»-Familie sind aber immer noch in der Krise.

Das stimmt so nicht. Beim «Blick am Abend» sind wir stolz, mit einer halben Million Leser in der Spitzengruppe zu liegen. Und dies nach nur zwei Jahren. Richtig ist, dass die Anzeigenerlöse dort noch nicht mithalten und wir deshalb rot schreiben. Dafür liegen wir mit den Anzeigenerlösen beim «Blick» stark über Budget.

Nicht aber bei der Auflage?

Die Strategie «Zurück zum konsequenten Boulevard» geht voll auf. Zahlen geben wir unter dem Jahr keine bekannt.

Ihr Sorgenkind ist der «SonntagsBlick». Hängt das mit Streitigkeiten im neuen Newsroom zusammen?

Überhaupt nicht. Richtig ist, dass sich der «SonntagsBlick» schwertut, sich in der «Blick»-Welt zu behaupten. Das zeigt sich vor allem auch beim Magazin, das nicht mehr klar positioniert ist. Hier muss etwas passieren. Es stimmt auch, dass im Gegensatz zum «Blick» der «SonntagsBlick» seine Linie als familientaugliche Boulevardzeitung am Sonntag noch nicht richtig gefunden hat.

«Blick»-Chefredaktor Grosse-Bley hat intern gesagt, der Newsroom sei gescheitert.

Er hat gesagt: Wenn nicht alle die Chancen des Newsrooms konsequent nutzen, dann besteht diese Gefahr. Der Newsroom ist zu einem Nachrichten-Epizentrum geworden, genau das wollten wir. Weil aber Menschen involviert sind, gibt es auch Spannungen, die aber lösbar sind. Der Newsroom ist eine Erfolgsgeschichte, das steht jetzt schon fest.

Sie getrauen sich nicht, in neue Printprodukte zu investieren.

Falsch. Wir prüfen sehr intensiv, die Erfolgsgeschichte von «Landlust», einem deutschen Magazin, in der Schweiz fortzuschreiben (siehe Trend-Bund Seite 58). Wir verhandeln mit dem Landwirtschaftsverlag in Münster, der diesen Megatrend «Zurück zur Natur» als Erster erkannt und journalistisch fantastisch umgesetzt hat. «Landlust» ist die erfolgreichste Magazinlancierung der letzten zehn Jahre.

Und nun kommt «Landlust» für die Schweiz?

An den Schweizer Kiosken setzt die deutsche Ausgabe bereits 15 000 bis 20 000 Exemplare ab. Geplant ist die Lancierung im Spätherbst, die Nullnummer ist praktisch fertig.

Wie erklären Sie sich den Erfolg einer solchen neuen Zeitschrift?

Die Gesellschaft bewegt sich. Auf der einen Seite dieses Nachrichtengewitter, immer mehr News, Apps, Twitter und Infos auf allen Kanälen, auf der andern Seite ein Rückzug der Menschen auf das Individuelle, die Familie und die Natur. Also Entschleunigung.

Die Verträge stehen aber noch nicht?

Wir stehen mitten in den Verhandlungen mit dem Landwirtschaftsverlag.