Hasko Draganovic, ein 37-jähriger Unternehmer, erhält im Juli 2024 einen Strafbefehl wegen Fahrens in übermüdetem Zustand und falscher Anschuldigung. Er wird mit einer bedingten Geldstrafe von 12’000 Franken und einer Busse von 3310 Franken bestraft.
Zwei Monate zuvor hat Draganovics Mutter auf der A2 einen Unfall verursacht. Er hat auf dem Beifahrersitz geschlafen. Zuerst gibt er an, er sei selbst gefahren – um seine Mutter zu schützen. Dann korrigiert er sich: Er ist nur von der SOS-Nische zur Raststätte gefahren, von wo er dann die Polizei alarmiert hat.
Doch man nimmt ihn nicht ernst. Polizei und Staatsanwaltschaft stützen sich in der Folge nur noch auf die Selbstbeschuldigung nach dem Unfall. Ob sich der Unfall vielleicht doch so abgespielt hat, wie Hasko Draganovic es beharrlich schildert, wird nicht ermittelt.
So muss Draganovic selbst Beweise für seine Unschuld sammeln. In 721 Stunden Arbeit sichert er die Videoaufnahmen einer Raststätte, wertet Bildmaterial von Verkehrskameras aus. Mit Erfolg: Am 27. Februar 2025 spricht ihn das Bezirksgericht Hochdorf LU frei.
Für die Beobachter-Jury ist klar: Der Fall Draganovic ist kein Einzelfall. Die Polizei ermittle häufig nicht ergebnisoffen. Die Luzerner Polizei wollte gegenüber dem Beobachter keine Stellung nehmen. Oberstaatsanwaltschaft und Staatsanwaltschaft verteidigen ihr Vorgehen und verweisen insbesondere auf den Grundsatz «in dubio pro duriore», der besage, dass im Zweifel ein Strafbefehl zu erlassen sei.
Für Jury-Mitglied und Strafverteidigerin Angela Agostino ist das falsch: «Wenn Staatsanwaltschaften in Fällen, die unklar sind, einfach Strafbefehle erlassen, dann sind das tatsächlich nur Versuchsballone.» Einen Strafbefehl dürfe es grundsätzlich nur geben, wenn die Beweislage derart klar sei, dass sie einem Geständnis gleichkomme. «Falls das nicht der Fall ist, müssen die Staatsanwaltschaften Anklage erheben – die Beurteilung also einem Gericht überlassen.»
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