Die diesjährigen Nominierten für den Prix Courage im Überblick:
- Amine Diare Conde aus Zürich versorgte während der Corona-Krise Sans-Papiers und Randständige mit Essen. Der 22-jährige abgewiesene Flüchtling aus Guinea floh mit 16 Jahren allein durch die Sahara und über das Mittelmeer nach Europa. In der Schweiz schlug er sich am Existenzminimum durch. Dennoch zögerte er nach Ausbruch der Corona-Krise keine Sekunde, sich für Menschen einzusetzen, die noch weniger haben. Conde trieb Lebensmittel auf, sammelte Spenden, baute ein Logistiknetzwerk auf, organisierte Freiwillige und Transporter. Wochenlang verteilten er und seine Helfer unentgeltlich Lebensmittelpakete. Nicht nur Sans-Papiers holten jeden Samstag Lebensmittel ab – sondern auch Menschen, die keine Sozialhilfe beantragen wollen genauso wie Randständige mit Schweizer Pass. Inzwischen hat das Sozialwerk Pfarrer Sieber die Aktion «Essen für alle» übernommen.
- Markus Fritzsche aus Adliswil (ZH) bekämpfte Covid-19 in der Asylunterkunft. Der Hausarzt und Epidemiologe hat im Auftrag des Kantons Zürich seit Jahren die medizinische Versorgung von Flüchtlingen in Adliswil sichergestellt. Als eine Frau in der dortigen Notunterkunft an Covid-19 erkrankte, wollte er sie in ein Spital überführen – der Iranerin drohte Lebensgefahr, weil sie an einer schweren rheumatischen Erkrankung leidet. Der Kanton aber lehnte die Einweisung der Frau und ihres ebenfalls erkrankten einjährigen Kindes ab. Kurzentschlossen wandte sich Markus Fritzsche damit an die Öffentlichkeit. Daraufhin hat ihm die Zürcher Sicherheitsdirektion das Mandat als Asylarzt entzogen; er darf seine Patienten in der Notunterkunft nicht mehr behandeln. Statt vom Kanton für seinen Einsatz gelobt zu werden, droht Fritzsche nun schlimmstenfalls der Entzug seiner Praxisbewilligung.
- Nils Melzer aus Evilard (BE) stellt sich gegen die Mächtigen im Fall von Wikileaks-Gründer Julian Assange. Fabrizierte Beweise, Kollusion und Folter – diese Vorwürfe hat Nils Melzer, UN-Sonderberichterstatter über Folter, gegen die Strafverfolgungsbehörden von Schweden, Grossbritannien und den USA erhoben. Assange drohen eine Auslieferung an die USA sowie 175 Jahre Haft, weil er auf Wikileaks geheime Unterlagen veröffentlicht hat. Diese dokumentieren unter anderem Kriegsverbrechen durch US-Truppen. Von den meisten Medien wurde der Aktivist als Spion und Vergewaltiger dargestellt. Melzer liess sich davon nicht abschrecken. Er machte die schweren Verfahrensverletzungen publik, obwohl er damit seine eigene Reputation und Sicherheit riskierte. Seither wird ihm vorgeworfen, er nehme Vergewaltigungsopfer nicht ernst und schüre Verschwörungstheorien.
- Yasmine Motarjemi aus Nyon (VD) deckte Missstände bei Nestlé auf. Die Lebensmitteltechnologin wurde von der WHO abgeworben, um die Produkte des Konzerns sicherer zu machen. Bald stellte Motarjemi jedoch fest: Wer Missstände aufdeckte und rapportierte – etwa Biskuits, an denen Babys fast ersticken –, wurde weder angehört noch unterstützt. Stattdessen wurde sie systematisch gemobbt und durfte ihren Auftrag nicht mehr erfüllen. Als Wissenschaftlerin fühlte sie sich verpflichtet, auf die Missstände aufmerksam zu machen und ging gegen den Nahrungsmittelkonzern vor Gericht. Nach zehn Jahren bekam sie diesen Januar recht: Das Kantonsgericht Lausanne hält fest, dass «Motarjemi auf hinterhältige Art und Weise gemobbt wurde». Die Schikanen hätten sie beruflich und psychisch ruiniert. Das Urteil gebe ihr nun Hoffnung – auch für weitere Whistleblowerinnen, so Motarjemi.
- Nadya und Candid Pfister aus Spreitenbach (AG) kämpfen für die Opfer von Cybermobbing. Ihre Tochter Céline war 13 Jahre alt, als sie sich nach tagelangem, digitalem Mobbing im August 2017 das Leben nahm. Ihre Eltern kämpfen seitdem auf Instagram und Facebook mit dem Hashtag #célinesvoice gegen Cybermobbing – sie wissen, was es für Kinder bedeutet, wegen Social Media zu leiden. Immer wieder melden sich bei ihnen junge Menschen mit Sorgen, Fragen und Zuspruch. Die beiden Jugendlichen, die ihre Tochter mit einem Intimbild mobbten, kamen mit wenigen Tagen gemeinnütziger Arbeit davon. Deshalb setzen sich die Pfisters dafür ein, dass Cybermobbing in Zukunft strafrechtlich verfolgt wird. Dank ihrem Engagement hat SP-Nationalrätin Gabriela Suter mittlerweile eine parlamentarische Initiative eingereicht.
- Susi Schildknecht aus Jonen (AG) setzt mit ihrem Gesicht ein Zeichen für Akzeptanz. Sie hat im Kampf gegen den Krebs ihr halbes Gesicht verloren und will zeigen, dass sich niemand dafür schämen muss, wie man aussieht. 2018 versuchten Ärzte, ihr Gesicht von sämtlichen Krebszellen zu befreien und entfernten dafür ihre Nase, das rechte Auge mitsamt Augenhöhle, die Stirn sowie einen Teil der rechten Wange. Im neuen Alltag folgten Ausgrenzung und Beschimpfungen; jahrelang hatte sich die ehemalige Aktivierungstherapeutin deshalb zuhause versteckt. Doch dann ging sie mit ihrer Geschichte an die Öffentlichkeit – auch wenn dies «verdammt viel Mut» gebraucht habe. In Zeitungen, Fernsehauftritten und ihrem Blog «Krebsgesicht» erzählt Susi Schildknecht nun von ihrem Schicksal und macht sich stark für Menschen mit Handicap.
- Melanie Tamburino aus Tenniken (BL) rettete zwei Menschen vor einem Schäferhund im Blutrausch. Eine Frau aus dem Quartier wollte mit dem Hund Gassigehen, als dieser plötzlich auf ihre dreijährige Nichte losging. Das Tier verbiss sich daraufhin an der Frau, die das Mädchen beschützen wollte. Tamburino eilte kurzentschlossen zur Hilfe. Die 41-jährige hat selber drei Hunde und leitet Agility-Kurse – dank ihres Wissens ging sie nicht körperlich dazwischen, sondern erteilte dem Hund sofort Befehle. Dieser gehorchte schon beim ersten «Platz» und liess von der Frau ab. Auf «Fuss» konnte Tamburino das Tier packen und wegsperren, bis Polizei und Rettungskräfte eintrafen. Hätte der Schäfer das Kleinkind erwischt, wäre die Attacke wohl tödlich ausgegangen. Als Heldin sieht sich Melanie Tamburino aber nicht: Sie habe in diesem Moment lediglich ihren Job getan.
Wer von den sieben Nominierten den diesjährigen Hauptpreis im Wert von 15’000 Franken gewinnt, wird je zur Hälfte durch das ab sofort eröffnete, öffentliche Voting sowie der Jury unter Leitung der ehemaligen Aargauer Regierungsrätin Susanne Hochuli bestimmt.
Lifetime Award für Die Dargebotene Hand
Wie in den Ausgaben zuvor wird im Rahmen des Beobachter Prix Courage auch dieses Jahr eine zusätzliche Auszeichnung vergeben: Der Lifetime Award 2020 für besondere Dienste an der Gesellschaft geht an die Hilfsorganisation Die Dargebotene Hand. Seit über 60 Jahren wird der telefonische Seelsorgedienst von rund 670 freiwilligen Helferinnen und Helfern getragen, die mit viel Herz und ohne Bezahlung anderen Menschen zuhören und helfen – gerade in Corona-Zeiten ein unschätzbarer Dienst für so manche, die an den vielfältigen Folgen der Krise leiden.
«Dieser Preis ist eine grosse Ehre und Anerkennung für die jahrzehntelange, anonyme Arbeit unserer Freiwilligen zugunsten von Menschen in seelischer Not», freut sich Sabine Basler, Geschäftsführerin von Die Dargebotene Hand. «Er wird uns noch mehr Sichtbarkeit geben, um unsere Arbeit fortzusetzen und das Angebot auf neue gesellschaftliche Bedürfnisse auszurichten.»
In den letzten Monaten hat Die Dargebotene Hand einen starken Anstieg an Anrufen auf ihre Nummer «143» verzeichnet. Um den erhöhten Bedarf in diesen schwierigen Zeiten rund um die Uhr abzudecken, hat die Organisation ihre Kapazitäten um 300 Stunden Redezeit pro Woche erhöht.
Digitale Preisverleihung auf Blick TV
Aufgrund der Situation rund um das Corona-Virus findet die Preisverleihung des diesjährigen Prix Courage nicht bei einem festlichen Diner statt – sondern in den Studios von Blick TV. Die Bekanntgabe und Siegerehrung, Interviews mit den Finalisten sowie die Verleihung des Lifetime Awards an Die Dargebotene Hand werden am 30. Oktober 2020 ab 20 Uhr live auf Blick TV übertragen.
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