Sonntagsblick

| 13.10.19 | Von Katia Murmann und Reza Rafi

«Wir können auf die Bedürfnisse der Leser eingehen»

Ab Dienstag 15. Oktober 2019 werden die Nutzer von Online-Medien angefragt, ob sie sich registrieren wollen. Ringier-CEO Marc Walder erklärt die Gründe und Vorteile.

Heute ist der Online-Nutzer ein unbekanntes Wesen. Dabei bietet die Technik die ­Mittel, besser auf die Bedürfnisse ­jedes einzelnen einzugehen. Aus diesem Grund starten die grossen Schweizer Medienunternehmen eine gemeinsame Kampagne, ­damit sich die Nutzer von Online-Medien freiwillig registrieren. SonntagsBlick sprach mit Marc Walder, CEO Ringier AG, über die Login-Initiative.

Sonntagsblick: Die Nutzer von Blick.ch werden ab 15. Oktober aufgefordert, sich einzuloggen. Weshalb?​

Marc Walder: Die grossen Schweizer Medienunternehmen NZZ, Tamedia, CH Media und Ringier (unter anderem verantwortlich für Blick, SonntagsBlick und Blick.ch) lancieren gemeinsam eine Login-Kampagne: Die Userinnen und User der Schweizer Medienmarken werden damit aufgefordert, sich zu registrieren. Wir möchten möglichst viele Nutzer überzeugen, sich bei unseren Online-Angeboten zu registrieren – und zwar freiwillig.

Aus welchem Grund sollten sie das tun?​

Durch die Registrierungsdaten erhalten die Medienhäuser Informationen über ihre Leserinnen und Leser – und können dadurch viel präziser auf deren Vorlieben und Bedürfnisse eingehen. Die meisten Internetdienste liefern heute auf den jeweiligen User ­zugeschnittene Angebote aus. Medien tun dies noch deutlich zu wenig.

Ist das Einloggen nicht eine Hürde?​

Wir alle loggen uns seit langem und mit grosser Selbstverständlichkeit bei vielen Internetdiensten ein – ausser bei journalistischen Angeboten.

Was haben die Verlage in den letzten Jahren falsch gemacht, dass sie solche Probleme mit der Vermarktung haben?​

In den letzten Jahren ist es den grossen Internetkonzernen Facebook und Google gelungen, sich zwischen die Redaktion und den Nutzer zu schieben. Weil immer mehr News über Facebook oder Google News gelesen werden, ­gelang es diesen Plattform-Giganten, über die gesammelten Login-Daten ihre Nutzer immer besser kennenzulernen.

Was ist dabei der Schaden für die Medien?​

Nun – dieses Wissen teilen diese US-Plattformen nicht 1:1 mit den Verlagen. Darum müssen wir ­unsere Leser nun endlich selber besser verstehen. Das erreichen wir mit dieser Login-Kampagne der Schweizer Digital-Allianz. Selbstverständlich geschieht alles entlang der geltenden Datenschutz-Richtlinien.

Können Sie an einem einfachen Beispiel skizzieren, was besser wird, wenn Medien ihre User besser kennen?​

Gerne. Ich interessiere mich für Schweizer Politik, digitale Inno­vationsthemen, den amerikanischen Wahlkampf, die deutsche Bundesliga, gesunde Ernährung und Roger Federer. Bin ich ein­geloggt bei Blick.ch, nzz.ch oder tagesanzeiger.ch, kann dies berücksichtigt werden. Parallel dazu kann mir relevantere Werbung ­gezeigt werden, also Werbung zu Produkten, die mich als Nutzer auch wirklich interessieren.

Sie sind der Initiant dieser Schweizer Digital-Allianz. ­Weshalb ist Ihnen dieses Thema so wichtig?​

Die Schweiz ist bekannt für guten und vielfältigen Journalismus. Wollen wir weiterhin aufwendigen, gut aufgearbeiteten Journalismus anbieten, so müssen wir Schweizer Medienunternehmen gemeinsam vorgehen. Die Chefs der anderen Medienhäuser waren sofort dabei. Die Schweiz ­gehört mit dieser sinnvollen ­Initiative ­international zu den Vorreitern.

Und – wie weit sind Sie mit Ihrer Digital-Allianz?​

Sehr weit, es finden sich bereits rund 30 Titel unter dem Dach der Allianz. Diese 30 Publikationen machen rund 90 Prozent des News-Traffics in der Schweiz aus: «20 Minuten» ist genauso dabei wie der BLICK, die «NZZ» und der «Tages-Anzeiger», das «St. Galler Tagblatt» ebenso wie die «Luzerner Zeitung», die «Tribune de Genève» genauso wie «Le Temps». Die Login-Kampagne startet in der Deutschschweiz. Die Romandie folgt Anfang 2020. Und auch die SRG wird 2020 mit einem ­freiwilligen Login folgen.

Glauben Sie wirklich, dass Sie damit gegen Google, Facebook und Co. eine Chance haben?​

Auf jeden Fall! Google und Facebook holen sich über 70 Prozent des digitalen Werbemarktes. Auch in der Schweiz. Das ist enorm. Obwohl sie ja lediglich Distributoren dieser journalistischen Inhalte sind. Sie verteilen sie also nur. Erarbeitet, recherchiert, produziert, eingeordnet und kommentiert wird alles ­immer noch von uns, den Medien-unternehmen. Dazu kommt: Journalismus ist historisch das Umfeld, das Werbeauftraggeber schätzen und suchen. Früher in der Zeitung, der Zeitschrift, dem Fernsehen oder dem Radio. Heute immer mehr im Internet.

Gibt es Vorbilder für die Schweizer Digital-Allianz?​

Die portugiesische Allianz Nonio hat viele Parallelen mit der Schweizer Digital-Allianz. Hier haben im Frühjahr 2018 sechs Medienhäuser eine gemeinsame Login-Plattform eingeführt. Bei allen sechs Anbietern müssen sich die Leser nach dem zweiten Artikel einloggen, wenn sie weiter­lesen wollen. In der Schweiz verfolgen wir dies aufmerksam, um zu lernen. Auch andere Länder arbeiten nun an solchen Allianzen.

Wie schwierig war es, die anderen Medienhäuser zu überzeugen?​

Wir waren uns schnell einig: Wenn wir die Wettbewerbsfähigkeit und die hohe Qualität der Schweizer Medien sicherstellen wollen, dann müssen wir gemeinsam vorgehen.

Was machen die Verlage mit den Daten der Nutzer?​

Vorab: Bei den meisten Digital-­Allianz-Portalen wird lediglich nach der E-Mail-Adresse und ­einem Passwort gefragt. Durch den Abgleich dieser – anonymisierten – E-Mail-Adressen können wir zum Beispiel erkennen, ob ein Nutzer am Morgen auf seinem Smartphone und danach auf dem Laptop ein und dieselbe Person ist. Eine wichtige Information, um diesem Nutzer genauere Angebote zu unterbreiten. Wichtig ist: Die Datenverwendung hängt immer von der Zustimmung des Nutzers ab.

Einige Medien in der Allianz lassen ihre Nutzer schon heute für Inhalte zahlen. Was plant Ringier in diese Richtung?​

«Le Temps» hat bereits ein solches Modell. Für Blick wiederum gibt es keine Pläne zur Einführung von zu bezahlenden Inhalten. Die Texte, Bilder und Videos auf Blick.ch sollen gratis bleiben. Das ist ein enorm attraktives Angebot an unsere User. Stellen Sie sich vor, Sie hätten früher den ganzen SonntagsBlick einfach gratis am Kiosk geholt … Blick.ch ist also ein rein werbefinanziertes Medium. Ähnlich wie viele Fernsehsender.

Nicht alle Medien sind bei der Digital-Allianz dabei.​

Wir sind sehr daran interessiert, dass möglichst alle Schweizer Medien bei der Digital-Allianz mitmachen. Jede einzelne Marke kann durch die Beteiligung an der Allianz ihr eigenes Angebot verbessern. Es werden die allermeisten dabei sein.

Befürchten Sie nicht, dass die Nutzerzahlen einbrechen, weil sich die Leser ihre Infos in ­Zukunft einfach dort holen, wo sie sich nicht einzuloggen brauchen?​

Wir sind optimistisch, dass dies nicht geschehen wird, denn alle angeschlossenen Newsportale erbringen eine Leistung, auf die Nutzer nicht einfach so verzichten wollen. Bei der portugiesischen Allianz Nonio, wo eine ­Login-Pflicht nach dem zweiten Artikel eingeführt wurde, bewegt sich der Rückgang im einstelligen Prozentbereich.

Wann macht die SRG mit?​

Die SRG verfolgt keine kommerziellen Ziele im Internet und hat daher innerhalb der Schweizer Digital-Allianz einen Sonder status. Mit der Aufforderung zu ­einem freiwilligen Login wird die SRG 2020 starten. Eine generelle Registrierungspflicht wird bei der SRG kein Thema sein.

Wie geht es nach dem 15. Oktober weiter? Ab wann ist das ­Login verpflichtend?​

Im Herbst 2020 wird die Allianz eine Registrierungspflicht für den Zugang zu journalistischen In­halten einführen. Ob diese nach dem ersten, zweiten oder dritten Artikel greifen wird, ist noch nicht entschieden. Die Ausgestaltung hängt auch von den Erfahrungen mit dem jetzigen, freiwilligen ­Login ab. Ein gemeinsames Schweizer Medien-Login hätte für den Leser den grossen Vorteil, dass er sich nur einmal registrieren müsste, um sich damit bei allen Medienmarken einzuloggen.