seniorweb

| 29.12.21 | Von Anton Schaller

Dank Medienförderung könnte seniorweb noch besser werden

Am 13. Februar haben wir über ein Medienpaket abzustimmen, mit dem der Bund die Rahmenbedingungen für die Medien verbessern, die Medienvielfalt stärken und die digitale Transformation der Branche unterstützen will. Dagegen haben rechts-bürgerliche Kreise erfolgreich das Referendum ergriffen. In der Branche wird die Vorlage grossmehrheitlich begrüsst, für das Funktionieren der direkten Demokratie gar als absolut notwendig bezeichnet. Anton Schaller konfrontierte Marc Walder (Bild), Chef des Ringier-Konzerns,

Marc Walder, Sie setzen sich engagiert für das Medienpaket ein, welches das Parlament nach einem langen Hin und Her in diesem Sommer doch noch verabschiedet hat. Als Chef eines der drei grössten Medienhäuser in der Schweiz ist das doch erstaunlich. Welches ist Ihr Hauptargument für diese Medienförderung durch den Bund?

Marc Walder: Es handelt sich bei diesem Medienpaket um eine sehr ausgewogene Vorlage. Sie ging durch Bundesrat und Parlament und wurde auch austariert. Das Paket besteht einerseits aus der indirekten Förderung – diese gibt es seit über 100 Jahren. Das Geld fliesst hier nicht an die Medienunternehmen, sondern es geht direkt zur Post für die Zustellung der Zeitungen und Zeitschriften.

Und der zweite Teil des Paketes?

Hier geht es um einen kleineren Teil, um die sogenannte Online-Förderung. Hier erhalten kleine, regionale oder lokale Portale überproportional viel im Vergleich zu grossen Medienmarken wie Blick oder 20 Minuten.

Warum kämpfen Sie dann für das Medienpaket?

Weil es um die Vielfalt der Medienlandschaft in der Schweiz geht. Dieses – ich sage es nochmals – politisch fein austarierte Paket hilft den Schweizer Medien, diese historisch schwierige Phase der Transformation zu meistern. Ein vielfältiges Medienangebot ist – da sind sich ja auch alle einige – wichtig für ein Land. Zumal in einer direkten Demokratie, wie wir sie in der Schweiz kennen.

Bereits vor der Verabschiedung in den beiden Kammern regte sich Widerstand. Rechtsbürgerliche Kreise um den ehemaligen St Galler FDP- Nationalrat Peter Weigelt ist die Vorlage ein Dorn im Auge eines jeden Demokraten. Sie ergriffen nach der Verabschiedung der Vorlage im Parlament sofort das Referendum. Die notwendigen 50’000 Unterschriften sind schnell zusammengekommen. Die Gegner geben sich knapp zwei Monate vor dem Abstimmungstermin siegessicher. Zu Recht? 

Schauen wir die Vorlage nüchtern an: Den grösseren Teil dieser Förderung gibt es seit über 100 Jahren. Und beim zweiten Teil, der Förderung von Online-Medien, profitieren die Kleinen überproportional gegenüber den Grossen. Dazu ist diese Medien-Förderung auch noch begrenzt auf sieben Jahre.

Was unternehmen Sie persönlich, steigen Sie in den Abstimmungs-Kampf ein?

Ich gebe nüchterne Antworten auf intelligente Fragen, wie hier und jetzt.

Und das Haus Ringier?

Die Medien des Unternehmens Ringier thematisieren diese Vorlage wie alle anderen Vorlagen – sie beleuchten alle Seiten und zeigen alle Perspektiven dazu auf.

Im Vordergrund der gegnerischen Kampagne steht der Satz «Wes Brot ich ess, des Lied ich sing.» Staatsfinanzierte Medien könnten ihre Funktion als vierte Macht im Staat nicht erfüllen und würden die Demokratie schädigen, wenn Geld zu den Verlagshäusern flösse. Stimmt das? Stehen Sie, steht das Haus Ringier schon jetzt Im Solde des Staates? Und erst recht nach einem Ja nach der Referendumsabstimmung?

Dies ist – wirklich – kein gutes Argument. Nehmen wir Medienmarken wie den Bund, den Landboten, das Thuner Tagblatt, die Aargauer Zeitung, den Walliser Boten oder den Blick oder irgendeine andere Zeitung – wessen Linie sollen diese Medien denn im Auge haben? Diejenige der SVP, der FDP, der Grünen, der SP, der Grünliberalen oder der Mitte?

Standen Sie noch nie unter Druck der Politik?

Jede politische Partei versucht, die Bürgerinnen und Bürger für ihre Ideen zu gewinnen. Das ist gut so. Ein Medienunternehmen ist Teil dieser politischen Debatte. Politische Parteien wollen überzeugen, für ihre Programme und Überzeugungen werben. Auch das ist gut so.

Aber unter Druck von kapitalkräftigen Inserenten? 

Wir versuchen, Werbeauftraggeber mit innovativen Konzepten, gutem Umfeld, starken Reichweiten, messbaren Lösungen zu überzeugen. Diesen Druck spürt ein Verlag, ob gross oder klein. Das ist Wettbewerb. Und auch das ist richtig so.

Interessant ist, dass in der Mediengruppe der «Neuen Zürcher Zeitung» sich der Verlag für die Vorlage, die Redaktion in ihren Beiträgen dagegen ausspricht. Kommt hier nicht ein Spannungsfeld zum Ausdruck, dass den Gegnern in die Hände spielt? Daraus geht hervor, so die Gegner, es geht den grossen Verlagen nur ums Geld und nicht um den politischen Auftrag in der Demokratie.

Die NZZ ist doch der grossartige Beweis, dass Redaktionen komplett unabhängig arbeiten können und dürfen, ja sollen.

Bereits am «swissmediaForum 2021» stellten Sie sich mit einem äussert engagierten Votum vor die Verleger-Familien Coninx (Tagesanzeiger als Aushängeschild) und Ringier (Blick-Gruppe ebenso) und legten dar, dass die beiden Familien gar Milliarden-Beiträge in den Erhalt und die Zukunft ihrer breiten Medienpaletten investiert haben und weiter investieren werden.  Warum diese Vehemenz?

Aktionäre in der Medienindustrie sind in den vergangenen Jahren enorme finanzielle Risiken eingegangen. Sie sind geradezu an ihr Limit oder gar darüber hinaus gegangen. Nicht alle, aber jene, die ihr Unternehmen transformiert haben. In jeden Management-Kurs lernt man Transformation, Diversifikation, Digitalisierung. Dies mit dem eigenen Geld zu tun, ist nochmals etwas ganz Anderes. Ich bewundere dies zutiefst.

Die Gegner lassen nicht locker. Sie legen dar, dass diese reichen Medienkonzerne selbst in Corona-Zeiten fette Gewinne gemacht hätten und deshalb nicht noch Geld vom Bund (jährlich 178 Mio. Franken) bekommen dürften. Ist Ringier auf einen Teil dieser Gelder angewiesen?

Mir ist Transparenz enorm wichtig. Deshalb nenne ich die Zahlen, die wir für Ringier schätzen, denn wissen können wir sie noch gar nicht: Ringier dürfte fünf bis acht Millionen erhalten. Das ist – im Verhältnis zu Grösse von Ringier – eher wenig. Und genau dies war der Sinn dieser austarierten Vorlage. Kleine Unternehmen werden – im Verhältnis zu ihrer Grösse – viel mehr erhalten.

30 Millionen Franken sind für abonnierte Online-Medien vorgesehen. Ist das nicht ein zu kleiner Betrag für die Rolle, die sie in der Zukunft haben? Das gilt auch für die Internetplattform seniorweb.

Seniorweb ist eine wunderbare Nachrichten-Seite. Gemeinnützig organisiert. Ich würde mich enorm freuen, wenn seniorweb seine Sache noch besser machen könnte mit diesen zusätzlichen Mitteln. Exakt um solche konkreten Beispiele geht es.

Die Gegner weisen darauf hin, dass die privaten Medien die Steuerzahler jedes Jahr rund 400 Mio. Franken kosten würden. Zusammen mit den SRG-Gebühren mache das jährlich 1,7 Milliarden aus! Die Gegner bezeichnen diesen Betrag als «unverschämt». Ist er das, oder ist er gerechtfertigt?

Lassen Sie uns nicht alles miteinander vermischen. Die SRG hat ihr Budget als öffentlich-rechtliches Unternehmen. Grosse Teile des hier diskutierten Medienpaketes existieren seit Jahrzehnten. Ja, ich empfinde dies insgesamt als gute Schweizer Lösung.

Es gibt auch kleinere Verlage, die durchaus rentabel arbeiten. Hätte die Vorlage nicht differenzierte ausgestaltet werden müssen, damit sie Gnade vor dem Volk findet?

Das Parlament hat die Vorlage politisch intelligent austariert.

Wie schätzen Sie die Chance des Referendums ein?

 Befürworter und Gegner des Medienpaketes haben intakte Chancen.

Und was müsste nach einem Nein passieren?

Viele werden nicht überleben können. Vor allem die Kleinen. Sie sollten diese sieben Jahre Zeit haben, um sich in der neuen, stark veränderten Medien-Welt zurecht zu finden.

Und andersrum gefragt: Was bringen die Staatsgelder der Bevölkerung, genauer den Stimmberechtigten?

Schweizer Medienvielfalt. 170 Zeitungen und Zeitschriften. 1000 Publikationen von gemeinnützigen Vereinen, Stiftungen. 21 Lokalradios und 13 Regionalfernsehen.


Marc Walder (57) gelernter Journalist, Medienmanager und ehemaliger professioneller Tennisspieler. Nach acht Jahren als Tennisprofi startete Walder 1991 seine Karriere bei der Ringier AG. Er war Chefredaktor bei Blick-Titeln des Hauses. Seit 2008 ist er CEO der Ringier AG, aktuell Managing Partner der Ringier AG und Vorsitzender des Group Executive Board. Heute gehört er zu den wichtigsten Medienmanagern der Schweiz; er setzt sich engagiert für die die Medienvielfalt in der Schweiz ein.