Dass Wolfgang Büchner Ringier verlassen wird, war Ihnen schon länger bekannt. Trotzdem hatte man den Eindruck, Sie seien in der letzten Woche von den Berichten und Mutmassungen in den Medien überrascht worden.
Wolfgang Büchner und ich sind seit mehreren Wochen in Diskussion über dessen berufliche Zukunft. Das waren vertrauliche Gespräche, deren Inhalt zwischen uns bleibt. Eine Indiskretion führte dazu, dass wir kurzfristig kommunizieren mussten.
Wussten Sie, dass er mit Madsack verhandelte?
Ja. Schade ist, dass es aufgrund dieser Indiskretion zu einem derart kommunikativen Durcheinander kam, darüber ist niemand glücklich, weder Büchner noch Ringier noch Madsack. Den Journalisten will ich aber keinerlei Vorwürfe machen, Indiskretionen sind Teil des Geschäftes.
Im Juli 2015 hat Herr Büchner seine Aufgabe angetreten. Sein Hauptauftrag: Die Blick-Titel weiterentwickeln und sie digital transformieren. Was konnte er in der kurzen Zeit anreissen?
Büchners Aufgabe bei Ringier war für mehrere Jahre ausgelegt: Es geht um die Weiterentwicklung der fünf Kanäle Blick, SonntagsBlick (SoBli), Blick am Abend, Blick.ch und blickamabend.ch. Das lässt sich nicht von Heute auf Morgen bewerkstelligen. Darum konnte Herr Büchner in den letzten zwölf Monaten auch nur die Weichen stellen.
Können Sie das konkretisieren?
Die wichtigsten Themen, die Büchner angeschoben hat, sind die Newsroom-Reorganisation, die Verstärkung des Video-Contents und des Social-Media-Engagements sowie den fundamentalen Relaunch des digitalen Auftritts der Blick-Gruppe. Den Newsroom hat er umgebaut und eine neue Organisationsstruktur sowie neue Abläufe eingeführt. Was die Bewegtbildnutzung anbelangt, hier ein paar Zahlen: Im 1. Halbjahr 2014 wurden auf den Plattformen der Blick-Gruppe 32 Millionen Videostreams abgerufen, 2015 hatten wir im selben Zeitraum 94 Millionen und 2016 – unter der Ägide Büchner – bereits 210 Millionen. Stark ist die Entwicklung auch bei den Social Media-Plattformen, primär auf Facebook, aber auch bei Twitter oder Snapchat: In den ersten sechs Monaten dieses Jahres kam es hier zu einer Verdreifachung des Engagements.
Wird nun jemand gesucht, der Büchners Aufgabe weiter führt, und besteht ein Konzept, wie man weiterarbeiten wird?
Wolfgang Büchner arbeitete eng mit der Konzernleitung und anderen Experten im Haus zusammen. Es kommt zu keiner Änderung von Konzept oder Strategie. Die Projekte werden so vorangetrieben, wie sie angestossen wurden. Auch im Newsroom sind wir auf gutem Weg mit den Feinjustierungen und der weiteren Digitalisierung. Und ja, wir sind jetzt auf der Suche nach einem Nachfolger oder einer Nachfolgerin.
Dennoch kann – zumindest von aussen gesehen – die Situation bei der Blick-Gruppe nicht befriedigen. Schon Büchners Vorgänger Alexander Theobald war nur interimistisch eingesetzt. Und auch auf der Ebene der Chefredaktionen sind die Wechsel so häufig wie wohl bei keiner anderen Schweizer Zeitung. Das sieht nach Flickwerk und langen Zwischenlösungen aus.
Innerhalb der Blick-Gruppe gab es eine einigermassen hohe Fluktuation bezüglich Chefredaktoren in den vergangenen zehn Jahren. Jeder Wechsel hat und hatte seine eigene Geschichte. Im Schnitt waren die Chefredaktoren zwischen zwei und fünf Jahren im Amt.
Da sind die vielen interimistischen Chefredaktoren aber nicht eingerechnet. Warum sind diese so zahlreich?
Wenn wir zum Schluss kommen, dass wir einen Chefredaktorenwechsel vornehmen wollen, warum auch immer, haben wir die Haltung, dass wir als Erstes immer die Person im Amt informieren und erst dann einen Nachfolger suchen. Dies scheint uns fair und respektvoll. Weil ein solcher dann also noch nicht feststeht, kommt es jeweils zu interimistischen Lösungen. Diese werden manchmal zu definitiven Lösungen, manchmal aber auch nicht.
Und warum zogen Sie beim SoBli Christian Dorer dem interimistischen Chefredaktor Philippe Pfister vor?
Als ich vor rund zehn Jahren selbst noch Chefredaktor beim SonntagsBlick war, war Christian Dorer ein junger, enorm talentierter Journalist. Menschlich top, fachlich überzeugend. Seither versuchte ich immer wieder, ihn zur Blick-Gruppe zurück zu holen. Auch diesmal. Philippe Pfister weiss, dass dies kein Entscheid gegen ihn, sondern für Dorer ist.
Zurück zu den recht kurzen Gastspielen der Chefredaktoren: Was sind die Gründe? Hat es mit der Nationalität zu tun? Auffallend viele Chefredaktoren waren Deutsche, die – so wird in der Branche behauptet – zu wenig Kenntnisse der Schweizer Polit- und Medienszene mitgebracht hätten. Liegts auch daran?
Wir sind in diesem Land die einzige Boulevardmarke – also eine eigene journalistische Disziplin. Die Chance, in diesem Bereich Schweizer Top-Journalisten mit viel Erfahrung zu finden, ist folglich klein. Deshalb sehen wir uns gerne auch in Deutschland um. Wenn nun ein deutscher Journalist in die Schweiz kommt, muss er sich natürlich gewisse Kenntnisse aneignen. Dass dies das Problem gewesen sein soll, würde ich aber verneinen. Es war auch kein Fehler, auf diese Personen zu setzen, denn jede Ära hatte selbstredend ihre vielen positiven Aspekte. Wenn ein Wechsel stattfindet, heisst das ja nicht: Er oder sie ist gescheitert.
Sehen Sie andere Gründe für die hohe Fluktuation?
Grosse Medienmarken wandeln sich derzeit extrem schnell: Vor Kurzem waren sie noch Printpublikationen, heute müssen sie 24 Stunden am Tag auf allen Kanälen liefern. Dazu kommen radikale Entwicklungen rund um Technologie, Video, Social Media, Daten und so weiter. Das ist ein ungemein herausfordernder und abnützungsintensiver Job. Deshalb ist die Fluktuation bei der Blick-Gruppe wohl auch höher. Von „hire und fire“ kann keine Rede sein – mit allen ehemaligen Chefs stehen wir weiterhin in gutem Kontakt.
Ich habe den Eindruck, bei der Blick-Gruppe hat Ringier Mühe bei der Personalfindung, weil angesichts rückläufiger Auflagen eine klare Vision fehlt.
Überfordert sind wir mit der schnellen Veränderung nicht. Es ist nun mal so, dass man mit Printprodukten im Lesermarkt tendenziell verliert und im Werbemarkt Einbussen hat – und dass der Traffic auf den digitalen Plattformen wesentlich schwieriger zu monetarisieren ist. Das ist eine Herausforderungen für die ganze Medien-Industrie, global, nicht nur für Ringier oder die Marke Blick. Zudem machen wir ja in verschiedenen Ländern grosse Zeitungen und sind darin auch führend. Das Chefredaktorenamt einer Boulevardzeitung verlangt enorm viel Präsenz, Kraft und Wissen. Das nützt ab und führt durchaus auch zu kürzeren Laufzeiten. Mit Christian Dorer haben wir nun einen der wichtigsten Chefredaktoren in diesem Land, mit dem wir langfristig planen, genauso wie mit Iris Mayer und Peter Röthlisberger beim Blick.
Wechseln wir noch zu Admeira: Wie zufrieden sind Sie mit den ersten vier Monaten? Wird das grosse crossmediale Angebot aus einer Hand vermehrt genutzt?
Diese Frage beantworte ich als Verwaltungsratspräsident dieses Unternehmens, das auch der SRG und der Swisscom gehört: Wir haben eine herausfordernde Zeit hinter uns. Zuerst galt es, die behördlichen Hürden zu nehmen, dann kam die Phase, bei der es um die Integration dreier grosser Teams ging. Nun sind wir sehr zufrieden und gut unterwegs. Das Feedback der grossen Werbeauftraggeber ist durchwegs positiv.
Admeira steht unter Druck: Es muss mindestens gleich viel Werbeumsatz erwirtschaften wie die beteiligten Unternehmen letztes Jahr zusammen. Weniger wäre nicht gut. Sind Sie auf Kurs?
Mit Swisscom haben wir ein börsenkotiertes Unternehmen als Co-Shareholder, Zahlen werden wir schon deshalb nicht nennen. Aber es war bei der Budgetierung in der Tat schwierig, weil wir aus drei Budgets oder – mit Axel Springer Schweiz – gar vier Unternehmen ein gemeinsames Budget erstellen mussten. Wir sind auf Kurs. In allen Belangen.
Sie sagten im Frühjahr, dass bis Ende Jahr auch neue Contentanbieter bei Admeira mitmachen werden. Bleiben Sie dabei?
Wir sehen uns als offene Plattform und ich bin überzeugt, dass weitere Inventarinhaber Teile ihres Angebots bis Ende Jahr einbringen werden.
Und wie geht das Projekt Radiovermarktung bei Admeira von statten?
Am Grundsatz hat sich nichts geändert: Radio bleibt Teil des Auftrages von Admeira. Aber weil hier längerfristige Verträge gelten, lässt sich der Schalter nicht so rasch umlegen.
Das Mitwirken Ringiers bei Admeira führte zum Bruch mit dem Verband Schweizer Medien. Wie ist das Verhältnis heute? Haben Sie Ihre Mitgliederzahlungen eingestellt?
Unsere Haltung gegenüber dem Verband hat sich nicht verändert. Wir haben die Zahlungen eingestellt, als wir austraten. Andererseits geht das Leben weiter. So besitzen wir mit Tamedia gemeinsam die Firma JobCloud – man spricht und arbeitet also miteinander. Und zwar sehr gut. Auch zu anderen Medienhäusern gibt es diverse Berühungspunkte. Es herrscht also keinerlei Eiszeit zwischen Ringier und den anderen Verlegern.
Werden Sie beim Swiss Media Forum (SMF) im September dabei sein?
Das SMF ist ein weiteres Beispiel für die Art, wie wir miteinander umgehen: Pietro Supino und ich waren damals im Verband die beiden treibenden Kräfte – unterstützt von Präsidemt Hanspeter Lebrument – die versucht haben, das Forum und den damaligen Verlegerkongress zu fusionieren. Das ist uns gelungen. Ich bin nun im Verwaltungsrat des SMF und werde in einer Paneldiskussion über die Zukunft der Medienindustrie teilnehmen. Das wird sicherlich spannend.